Kindern Raum geben

Feb
23
RisikoKindheit: Meine Eltern sind anders
Eltern mit psychischen Störungen und die Betroffenheit von Kindern
Kinderschutzforum 2004, Köln 22.-24.09.2004
Forum 5:
Einbeziehung der Kinder in die Behandlung
psychisch kranker Eltern?
 

Susanne Heim

Den Kindern Raum geben!
…weil Eltern und Kinder in Beziehung bleiben,
auch wenn Vater oder Mutter (psychisch) erkrankt ist
 
In den Sprechstunden und Gesprächskreisen der Kölner Angehörigenselbsthilfe Rat und Tat e.V. werden wir immer wieder mit der Not von Kindern psychisch kranker Eltern konfrontiert – allerdings immer wieder isoliert, als Einzelfall. Deshalb haben auch wir den Bedürfnissen der Kinder allzu lange allzu wenig Aufmerksamkeit und Energie gewidmet.
 
Bis dann wieder ein Vater oder eine Mutter mit kleinen Kindern auf der Matte stand und uns ratlos machte. Oft genug können die erwachsenen Angehörigen noch nicht einmal in eine Gesprächsgruppe kommen, um selber wieder stabiler – und damit ein besserer Halt fürs Kind – zu werden. Es ist niemand für die Kleinen da – der erkrankte Elternteil lässt Fremde nicht ins Haus oder nimmt keine Hilfe an, schon gar nicht für die Kinder. Die Angst, das Jugendamt könnte die Kinder wegnehmen, ist allzu groß – und nicht immer ganz unberechtigt.
 
Wenn die Kinder erwachsen geworden sind und in unseren Gruppen auftauchen, erleben wir ihre Not in der Rückschau mit, erleben, was die Erkrankung eines Elternteils bei ihnen angerichtet hat, welch langen tiefen Schatten sie auf ihr eigenes Leben geworfen hat.
 
Angehörige finden in der Regel zu uns, wenn sie nicht mehr weiterwissen, wenn die Kraft erschöpft ist. Töchter und Söhne stehen dann meistens auf der Schwelle zum Erwachsenwerden, am Beginn von Studium oder Ausbildung, vor dem Schritt ins Berufsleben – und kurz vor dem Zusammenbruch: weil die Kraft nicht mehr ausreicht, das eigene Leben allmählich auf die Reihe zu bekommen, gleichzeitig den offenen oder versteckten Forderungen der Eltern, ihren tatsächlichen oder vermeintlichen Erwartungen gerecht zu werden – der Verantwortung zumeist für beide, nicht nur den erkrankten Teil, und womöglich auch noch für die Geschwister.
 
Denn Kinder psychisch erkrankter Eltern übernehmen oft sehr früh „Elternfunktionen“. Je früher und je länger sie sich diese Last aufbürden (lassen), desto tiefer schleift sich die sorgende, ver-sorgende Haltung ein. Ja, soll man dann die Kinder auch noch in die Behandlung ihrer Eltern einbeziehen?
 
Für mich ist das keine Frage, sondern eine Forderung! Und ich hoffe, auch Sie werden am Ende dieser Veranstaltung das Fragezeichen im Titel durch ein großes dickes Ausrufungszeichen ersetzen… Denn: Nicht ob, sondern wie, muss die Frage lauten. Doch die lässt sich leider nicht so ohne weiteres beantworten. Weil jedes Kind, jede Familie anders ist, und weil Kinder zudem je nach Alter und Entwicklungsphase unterschiedliche Bedürfnisse haben. Grundsätzlich aber lässt sich mit Janusz Korczak sagen: Kinder sind nicht dümmer als Erwachsene, sie haben nur weniger Erfahrung. Aber:
 
Kinder sind Kinder - keine Co-Therapeuten!
Sie dürfen nicht für die Behandlung und/oder die Rückfallprophylaxe ihrer Eltern instrumentalisiert werden! Kinder haben das Recht und die Fähigkeit, mit Problemen, die sie betreffen, konfrontiert zu werden, damit sie sich damit auseinander setzen können.
Psychische Erkrankungen zeigen sich in Verhaltensänderungen. Diese Veränderungen bedürfen einer altersadäquaten Erklärung. Den Kindern helfen heißt: EnttabuisierenEntdramatisieren - Entlasten!
 
Professor Lenz wird den Fokus auf die betroffenen Kinder richten, auf ihr Erleben, ihre Belastungen und Bedürfnisse. Ich will versuchen, beide Seiten im Blick zu behalten, um auch und nicht zuletzt für die Eltern zu plädieren. Ich teile nämlich die Sorge einer betroffenen Mutter, die mir nach einer Tagung zum Thema „Psychisch Kranke in der Familie“ schrieb:   
 
„... ich erzählte die Geschichte von mir und meinem Sohn, die ja bisher einigermaßen gut ausgegangen ist, Dank Mann, Großeltern, Integrations­kindergarten und Integrations­schule.
 
Dabei bin ich zu dem Fazit gekommen: Die Aufklärungsarbeit darüber, wie schwer es die Kinder haben, ist womöglich ein Schuss, der nach hinten losgeht. Die Profis, überwiegend aus der Sozialpädagogik, waren nach meinem Eindruck ohnehin der Meinung, dass psychisch Kranke besser keine Kinder haben.
 
Mir ging es nach der Tagung wirklich schlecht. Statt zu überlegen, wie man diese Familien stützen kann, wurde gejammert, dass überhaupt Kinder da sind. Hoffentlich haben nicht zu viele, meine Informationen in den falschen Hals bekommen! Ich sah mich dazu veranlasst darauf hinzuweisen, dass es kein Almosen und keine Gnade, sondern das Recht der Familien ist, unter­stützt zu werden. Dass die Unterstützung tatsächlich noch nicht da ist, sollte die Kreativität aller Beteiligten herausfordern, nicht die Resignation, psychisch Kranken sei von Kindern abzuraten.
 
Wenn es darum geht, Hilfe einzufordern, werde ich in Zukunft weniger betonen, wie schwer es die Kinder haben, sondern darauf aufmerksam machen, wie wichtig für psychisch kranke Eltern ein gutes Familienleben ist.
 
Gleichzeitig fürchte ich, die Psychiatrie wird sich den Kindern der Patienten nur dann zuwenden, wenn sie begreift, dass zur Gesundung der Eltern die Stärkung der elterlichen Kompetenz gehört. Dass also beispielsweise Hilfen zum Selbständigen Wohnen notwendigerweise auch Hilfe zur Erziehung beinhalten müssen.
 
Eltern bleiben Eltern – auch wenn sie krank sind
Es hat ja lange genug gedauert, bis die psychiatrisch Tätigen zur Kenntnis genommen haben, dass psychisch erkrankte Menschen in sozialen Bezügen leben – und dass diese für ihre Gesundung von Bedeutung sind. Die Gesellschaft im Allgemeinen und die Familie im Besonderen galten allenfalls als notorische Krankmacher, vor denen man die Betroffenen schützen musste.
 
Heute gehört es fast schon zum guten Ton, den Stellenwert der Angehörigenarbeit zu betonen. Die Kluft zwischen Praxis und Proklamation ist freilich immer noch recht groß. Es ist keineswegs schon selbstverständliche Regel, Angehörige, die mit den Patienten zusammen leben, sie oft lebenslang begleiten, in die Entlassungsvorbereitung einzubeziehen, geschweige denn in die Behandlung!
 
Dass auch kleine Kinder und Jugendliche Angehörige sind, das dringt erst seit ein paar Jahren all­mählich ins Bewusstsein – selbst in der Angehörigenbewegung, die sich vor rund 20 Jahren organisiert und auf den Weg gemacht hat, den Bedürfnissen der Patienten und ihrer Familien zu mehr Beachtung zu verhelfen. Dass die Kinder dabei nicht gleich mit ins Blickfeld gerückt sind, lässt sich durchaus erklären:
 
Mit einer psychischen Erkrankung macht sich tiefe Verunsicherung in der ganzen Familie breit. Zunehmend befremdliches Verhalten, abrupte Stimmungswechsel, nicht nachvollzieh­bare verzerrte Wahrnehmungen, chaotischer Umgang mit Geld und Zeit, unberechenbare Schwankungen zwischen Anhänglichkeit und Zurückweisung, Verwöhnung und Beschimpfung führen und ver-führen dazu, dass sich die Aufmerksamkeit aller auf die erkrankte Person und ihr Befinden konzentriert. Denken und Handeln kreisen nur noch um das eine Ziel: die bedrohlichen Begleiterscheinungen der Krankheit zu bannen, nur ja nichts „Falsches“ zu sagen oder zu tun. Weil das nur selten gelingt, werden Angst, Hilflosigkeit und Ohnmacht zum beherrschenden, alles lähmenden Lebensgefühl aller in der Familie. Auch die erwachsenen Bezugspersonen geraten aus dem Gleichgewicht.
 
Emotionale Stabilität, Gelassenheit und Zuversicht, die für die Prognose der Erkrankten ebenso bedeutsam sind wie für die Entwicklung der Kinder, die müssen auch die (erwachsenen) Angehörigen sich erst wieder erarbeiten. Wenn ihnen dabei von den psychiatrisch Tätigen – offen oder unterschwellig – unterstellt wird, sie hätten zur Erkrankung des Familienmitglieds beigetragen, sie gar verursacht, so ist das nicht gerade hilfreich. Mit Selbstzweifeln und Schuldgefühlen quälen „große“ wie „kleine“ Angehörige sich ohnehin. Was ihnen Not tut, ist Ermutigung, emotionale und praktische Entlastung – und zwar für alle in der Familie, ob (noch) gesund oder krank!
 
„Mein Mann kam mit der Situation überhaupt nicht zurecht. Ich wäre so froh gewesen, wenn irgend jemand da gewesen wäre und meine Kinder an die Hand genommen hätte.
 
Besonders meine Tochter, die 12 war als ich akut erkrankte, hat zu viel miterlebt. Ich habe mich zwar zusammen­genommen, wenn die Kinder zu Hause waren, aber mit dem Willen war da nicht mehr viel zu machen. Ich bin nur froh, dass ich friedlich geblieben bin und so viel Angst hatte, ihnen Schaden zuzufügen.
 
Wie leicht lassen sich seelische Schäden, die Kinder durch die Erkrankung eines Elternteils nehmen, als ‚genetische’ Faktoren abtun.“
 
Ja, da hat man in der (Erwachsenen-)­Psychiatrie gerade erst und immer noch recht zögerlich begonnen, die allgemeine Sprachlosigkeit zu über­winden – nicht genug, dass man sich mit den Patienten und ihren nicht weniger nervenden Angehörigen auseinander­setzen muss, jetzt soll man auch noch mit Kindern sprechen (lernen)?! Für die ist man doch gar nicht zuständig – in der Erwachsenen-Psychiatrie...
 
Auch Kinder sind Angehörige
Mit welcher Hypothek Söhne und insbesondere Töchter psychisch kranker Eltern ins Leben gehen, das wird deutlich, wenn erwachsen gewordene Kinder in den Angehörigengruppen über ihre Not berichten. Alle Erschütterungen, alle Sorgen und Ängste, die Erwachsene im Zusammenleben mit einem psy­chisch erkrankten Menschen umtreiben – wenn nichts mehr ist, wie es einmal war –, finden sich in den Schilderungen der Kinder wieder. Nun fällt es den Erwachsenen schon schwer genug, sich zu „outen“, Hilfe zu suchen und in Anspruch zu nehmen, notfalls energisch einzufordern.
 
Für Kinder, die auf den Rückhalt der Familie existenziell angewiesen sind, ist es schier unmöglich, das Tabu „Niemand darf davon erfahren...“ zu durchbrechen. Sie geraten – auch als Erwachsene noch – in tiefste Loyalitätskonflikte, wenn sie das Familiengeheimnis offenbaren. Sie schämen sich für das Ver­halten der Erkrankten und fühlen sich gleichzeitig des „Verrats“ schuldig, wenn sie „schlecht“ über sie reden. Und an wen sollen sie sich wenden, wem können sie sich anvertrauen, wenn schon die nächsten Bezugspersonen unerreichbar sind? Wenn auch die keine Worte finden für das beängstigend Befremdliche?! Wenn auch sie aus Angst vor Stigmatisierung alles daransetzen, abzuwiegeln, abzulenken und zu vertuschen?! 
 
Mit niemandem sprechen zu können, nichts erklärt zu bekommen, das – so berichten fast alle Kinder psychisch erkrankter Väter und/oder Mütter – das war das Allerschlimmste. Und manch ein Versuch, den Hausarzt, einen Lehrer oder Seelsorger ins Vertrauen zu ziehen, ist kläglich gescheitert: weil die zaghaft und vielleicht nur andeutungsweise, aber mit dem Mut der Verzweiflung Angesprochenen den Kindern nicht geglaubt haben, den Ernst ihrer Lage nicht spüren konnten oder aus eigener Voreingenommenheit nicht wahrhaben wollten. Kleinen Kindern bleibt dann allenfalls die Möglichkeit, ihrer Einsamkeit und Ratlosigkeit Ausdruck zu verleihen, indem sie ihrerseits „Probleme machen“. Was – paradoxerweise – als gesunde Reaktion zu verstehen ist.
 
Ja, man muss geradezu froh und dankbar sein, wenn Kinder in dieser Situation Symptome produzieren! Denn nur, wenn sie selber als therapiebedürftig erkannt und damit als therapieberechtigt anerkannt werden, dürfen sie auf Hilfe hoffen.
 
Hilfe haben aber gerade auch die Unauffälligen nötig, die stillen Angepassten, die so bewundernswert gut „funktionieren“, die scheinbar alles so gut verkraften.
 
Ihnen ist das Gefühl der Verantwortung für das Wohlergehen der Familie fast unauslöschlich ein­ge­brannt. Unendlich „pflicht­bewusst“ und tüchtig, ergreifen sie nicht selten soziale Berufe... Dabei fällt es ihnen ganz besonders schwer, sich selber wahrzunehmen, sich abzugrenzen, die Verantwortung fürs eigene Leben zu übernehmen und den Eltern und Geschwistern die Verantwortung für deren Wohl zurückzugeben. Sich um die eigenen Bedürfnisse zu kümmern und es sich gut gehen zu lassen – ohne schlechtes Gewissen und unabhängig vom Befinden der anderen – das scheint ihnen fast undenkbar.
 
Weil Kinder mit ihren Eltern in Beziehung bleiben – auch wenn Vater oder Mutter krank ist, und erst recht, wenn einer oder gar beide psychisch erkrankt sind. Je diffiziler die Beziehung, desto nachhaltiger die Fessel der Ambivalenz – selbst nach einer Trennung. Die seelische Nabelschnur lässt sich so leicht nicht kappen – wie man von Adoptivkindern weiß.
 
Doch wo anfangen? Wie einsteigen - rechtzeitig, präventiv? Wer sich darauf einlässt und genauer hinschaut, stößt mit jeder Antwort auf neue Fragen: Was genau brauchen welche Kinder in welchem Alter? Wie und wo erreicht man sie? Sie sollen ja gerade nicht psychiatrisiert, sondern entlastet und gestärkt werden, um später möglichst nicht ebenfalls zu erkranken. Wie macht man die Kinder zum Thema in der Therapie der erkrankten Eltern? Wie bringt man den Eltern Hilfsangebote nahe, ohne Schuld­gefühle zu schüren? Und schließlich brauchen die Patienten auch als Eltern Begleitung, um z.B. Abgrenzungsversuche ihrer Kinder verstehen, zulassen, ertragen zu lernen. Erst recht im „worst case“, wenn alle Stränge reißen und ein Kind vorübergehend oder dauerhaft aus der Familie genommen werden muss. Wer es ernst meint mit dem Wohl der Betroffenen, darf weder Kinder noch Eltern mit einer derart traumatischen Erfahrung alleine lassen!
 
Solche Notlösungen werden sich nicht in jedem Fall vermeiden lassen. Sie werden aber umso seltener notwendig, wenn rechtzeitig für Entlastung und stützende Begleitung überforderter Eltern und Kinder gesorgt wird.
 
Raum geben – im Herzen wie im Haus
Das fängt mit „Kleinigkeiten“ an, die flächendeckend selbstverständlich werden müssen: Zum Beispiel die Spielecke im Wartezimmer des niedergelassenen Psychiaters, in der Klinikambulanz, im Sozial­psychiatrischen Zentrum; familien­­freund­liche Besuchsräume und die Möglichkeit zum „Rooming in“ auch in den psychiatrischen Kliniken; eine wöchentliche stationsübergreifende Gesprächsrunde für Eltern, an der sich auch Mütter und Väter aus den Pflegeteams beteiligen. Motto: „Wenn Kinder nerven“. Ich kenne keine Eltern, die ihre Kinder nicht gelegentlich auf den Mond schießen möchten – und ich kenne kein Kind, das niemals Stress mit den Eltern hat. Dazu muss niemand erst psychisch krank werden. Aber es hilft, wenn man merkt: Anderen geht es genauso – ich bin kein Monster! Und wenn man erfährt, wie andere damit fertig werden – mit oder ohne fremde Hilfe.
 
Solange elterliche Probleme immer nur als Ausdruck der Erkrankung gewertet werden, darf man sich freilich nicht wundern, wenn die Patienten sie verdrängen, verschweigen, sie vor sich selbst und anderen verleugnen – aus Angst, die Erziehungsfähigkeit könnte ihnen abgesprochen, die Kinder ihnen weg­genommen werden. Die Schwelle aus Scham- und Schuldgefühlen ist ohnehin schier unüber­windlich.
 
Glauben Sie nur nicht, psychisch kranke Eltern spürten nicht, dass sie ihren Kindern oft nicht gerecht werden können. Glauben Sie nur nicht, genesende Patienten wüssten nicht, was in der akuten Psychose abgelaufen ist! Solange sich die Behandler aber mehr für den gestörten Hirnstoffwechsel interessieren als für die verstörte Seele der Betroffenen, bleiben diese mit ihrer Not allein. Ist es da nicht ein verständlicher Akt des Selbstschutzes, wenn sie (auch) diesen Teil ihrer Ängste und Selbstzweifel ausblenden, abspalten, wegschließen?!
 
Doch täuschen wir uns nicht: Für Eltern sind und bleiben die Kinder ein zentrales Thema.  
So, wie die Eltern zentrales Thema der Kinder sind und bleiben – umso stärker, je komplizierter, unsicherer, unsteter die Beziehung ist und erlebt wird.
 
Beide, Kinder und Eltern brauchen respektvolle Aufmerksamkeit. Sie brauchen einfühlsame Begleiter, die ihren Kummer wahrnehmen und sie nicht länger damit alleine lassen!
 
Den Kindern Raum geben heißt:
·        Sie anhören, ihnen zuhören,
·        ihre Fragen beantworten
und sie an der Lösung ihrer Probleme beteiligen;
·        ihren kindlichen Bedürfnissen Geltung verschaffen;
·        ihnen altersgemäße Entfaltungsmöglichkeiten eröffnen,
·        ihnen Spiel-Raum schaffen – im Herzen wie im Haus.
 
Den Kindern Raum geben heißt aber auch: 
·        Den Eltern Mut machen, ihnen beistehen,
so weit und so lange sie dies nötig haben,
um ihren Kindern
(wieder) Raum geben zu können – im Herzen wie im Haus!
 
Wer zeigt sich zuständig, wer gestaltet, wer finanziert ein Angebot, das (noch) keine Therapie sein soll, das z. B. einfach „nur“ Raum gibt für Spaß und Spiel, ein paar Stunden unbeschwert Kind sein dürfen – das damit auch Mama und Papa Pausen gönnt vom Druck der elterlichen Pflichten.
 
Ich meine, das ist eine gemeinsame Aufgabe von Psychiatrie, Kinder- und Jugendhilfe. Es bedarf dazu freilich der Bereitschaft zu wertschätzender Kooperation!
 
Da psychisch erkrankte Eltern in der Regel zunächst in der Psychiatrie auftauchen, ist vor allem die Achtsamkeit der Behandler gefordert. Ich betrachte es als Kunstfehler, wenn sie die familiäre Situation ihrer Patienten ausblenden. Es darf einfach nicht sein, was vielfach immer noch so ist: Keiner hat mal gefragt, wie es uns Kindern geht.

Als Kind musste ich lernen, das Weinen zu unterdrücken – jetzt
ist mir das Lachen vergangen

(Ernst Reiling)
 
Es darf einfach nicht sein, was immer noch passiert:
Dass z.B. eine 13-jährige nach der Zwangseinweisung ihrer chronisch psychisch kranken Mutter wochenlang sich selbst überlassen bleibt; dass niemand in der Klinik auf die Idee kommt, mit der Tochter über ihr Erleben und über die Erkrankung der Mutter zu sprechen; dass kein einziges gemein­sames Gespräch darüber geführt wird, wie es nach der stationären Behandlung weitergehen soll – obwohl bekannt ist, dass die beiden alleine zusammenleben; und dass die Mutter schließlich Knall auf Fall entlassen wird – ohne dass vorher irgend jemand benachrichtigt wird.
 
Es liegt in der gemeinsamen Verantwortung von Psychiatrie und Jugendhilfe, notwendigen Beistand zu besorgen – unabhängig davon, wer ihn letztlich leistet.
 
Es liegt in der Verantwortung dessen, der den Bedarf zuerst wahrnimmt, die zuständigen Dienste und Kooperations­partner zu mobilisieren, wenn zusätzliche Hilfen erforderlich sind, um Kinder gut zu versorgen, solange ihre Eltern dazu nicht in der Lage sind – und um die Patienten (wieder) zu befähigen, ihre Kinder gut ins Leben zu begleiten.